Die Tschechienreise vom 01. bis 04. Mai 1997

Überarbeitete und gekürzte Fassung des Tätigkeitsberichts des Schriftführers.

Im Jahre 1992 feierte der Musikverein sein 60-stes Vereinsbestehen mit dem gebührenden Kreismusikfest. Neben den „üblichen“ Veranstaltungen mussten dem Publikum aus Nah und Fern selbstverständlich auch andere Höhepunkte geboten werden. Einen solchen wollten wir mit der Verpflichtung der Polkakapelle Dambořanka aus dem Ort Dambořice im tschechischen Mähren bieten. An der Kapelle gefiel uns nicht nur die Musik, sondern auch die Musiker waren uns sehr sympathisch. Da beide Seiten von Anfang an offen auf einander zugingen, knüpften einige von uns trotz massiver sprachlicher Verständigungsschwierigkeiten erste lose Kontakte. Daraufhin besuchten in den folgenden Jahren immer wieder einige Ottersheimer Musiker Dambořice. In manchem von uns gedieh daher der Gedanke, nach unserer umwerfenden Texas-Reise, doch auch mal eine „kleine“ Reise in Richtung Osten zu unternehmen.

So standen am 01. Mai 1997 um 5.30 Uhr zwei Reisebusse der Firma Glaser voll bepackt zur Abfahrt bereit. (…)

Auf der Fahrt dorthin fragte sich ein mancher insgeheim, was ihn wohl in einem Dorf des ehemaligen Ostblocks erwarten würde. (…). Am Ortseingang hielten wir kurz an, um unsere Instrumente auszupacken, da im Ortskern das Begrüßungskomitee wartete. Im Ort angekommen, hieß uns die Dambořanka mit einer Polka willkommen. Es empfingen uns viele Dorfbewohner und auch das lokale Fernsehen war vor Ort. Wir begrüßten das Dorf mit dem „Musikantengruß“. Anschließend setzten sich die beiden Kapellen in Marschformation in Richtung Festhalle in Bewegung. Auf diese Art und Weise warben wir für das in Kürze beginnende gemeinsame Konzert. Auf dem Marsch zur Halle trat uns die Bevölkerung mit gemischten Gefühlen entgegen. Die meisten winkten uns zu, doch andere schauten eher schüchtern aus ihren Häusern. An der Halle angelangt bat man uns ins Obergeschoß zum Essen. In zweiminütigem Abstand erhielt jeder von uns zunächst ein Glas Rotwein, Weißwein, Bier und alkoholfreie Getränke, so dass die Tische voll mit Gläsern standen – der erste Durst konnte somit ausreichend gelöscht werden! Zunächst begrüßten uns der Bürgermeister von Dambořice und dann der Kapellmeister František Meier. Im Anschluss daran ergriff Winfried Stadel das Wort. Die Übersetzung übernahm Toni. Nach den offiziellen Grußworten wurde gegessen. Die Dambořanka begann das Konzert mit den uns wohlbekannten Klängen – Erinnerungen an das Musikfest 1992 wurden wach. Wir mussten ca. 1,5 Stunden auf unseren Auftritt (ca. 23.30 Uhr!) warten. Wir eröffneten mit der Polka „Böhmischer Klang“, gefolgt vom „Deutschmeister-Regimentsmarsch“ und dem Charakterstück „Sagen aus Alt-Innsbruck“. Erneut wurden Grußworte und jetzt auch Geschenke ausgetauscht. Unser 1. Vorsitzender verlas ein Grußwort von Ministerpräsident Kurt Beck, welches in erster Linie auf die Völkerverständigung abzielte. Die Staatsmänner könnten lediglich die Rahmenbedingungen für eine friedliche Verständigung vorgeben. In letzter

Konsequenz seien aber die Völker gefordert, diese Verständigung auch zu leben. Unser Besuch in Dambořice stelle einen kleinen aber wichtigen Schritt in diese Richtung dar. Das Publikum bedachte das Grußwort mit großem Applaus. Wir beendeten das Konzert um 0.30 Uhr. Nun ging es zum gemütlichen Teil über. Ein kaltes Buffet war schon vorbereitet. Es gab reichlich zu trinken – vor allem Selbstgebrannten Slivovica. Die Kommunikation ging mit Händen und Füßen von statten. Es wurde deutlich, dass hier zwei verschiedene Sprachkreise aufeinander trafen, denn kaum einer der Gastgeber sprach deutsch oder englisch – von uns sprach überhaupt niemand tschechisch geschweige denn russisch. So fungierte die Musik als Verständigungsmedium. Wir spielten unsere Standards und initiierten eine Polonäse durch beide Stockwerke. Die Dambořanka beteiligte sich leider nur mit ihrem Schlagzeuger und seinen zwei Assistenten, die ihm die Trommel und das Becken hielten. Daniel Kröper heizte die Stimmung mit einer Stripteaseeinlage zusätzlich an. Eine andere Gruppe stand im Foyer der Halle im Kreis zusammen und sang im Wechsel tschechische und deutsche Volkslieder. Es schien fast so, als wolle keiner diese Nacht beenden. Doch gegen 3.30 Uhr wurde die Halle geschlossen. So machten sich letztlich alle mit oder ohne Gastfamilie auf den Nachhauseweg. Für viele aber war die Nacht zu diesem Zeitpunkt noch lange nicht vorüber. (…)

Am nächsten Morgen um 9.00 Uhr war das gemeinsame Frühstück in der Festhalle anberaumt. Viele von uns hatten nur wenig geschlafen. Doch die „unheimliche“ Kraft des Slivovicas rettete uns. František erklärte uns, es heiße, dass ein Slivovica am morgen Dir zeigt, dass Du noch am Leben bist! An diesem Morgen wurden uns viele Leben „eingehaucht“. So entwickelte sich eine recht ausgedehnte aber spaßige Abschiedszeremonie, die auch vor der Halle noch dauerte. Jeder hatte seinen Spaß, (…) So wurden die wirklich allerletzten Dankes- und Abschiedsworte ausgetauscht. Winfried Stadel dankte nochmals für die freundliche Aufnahme und versprach ein Wiedersehen. František bedankte sich für unseren Besuch und bezeichnete uns als angenehme Gäste. Er betonte, dass wir alle bereits 1992 mit dem begonnen haben, was unsere beiden Regierungen kürzlich beschlossen haben, nämlich die alten kriegsbedingten Barrieren in unseren Köpfen aufzustoßen. So brachen wir gegen 10.30 Uhr auf, verbunden aber mit dem Wunsch des baldigen Wiedersehens. (…)